Nächtlicher Blick von der Ponte Rialto auf den Canal Grande.

Venedig. Im Januar. Tut das?

Nach den anstrengenden Feiertagen und ganzen vier Arbeitstagen im neuen Jahr war dringend eine Auszeit nötig. Daher sind wir nach Venedig gereist. Ehrlicherweise fiel uns diese Entscheidung nicht leicht, da wir die Gefahr sahen, dass es in der feuchten Sumpfmetropole bei ungünstigem Wetter unangenehm werden könnte. Da wir jedoch während unserer bisherigen Venedig-Besuche ausschließlich die Stadt „von außen“ erkundet hatten, waren Museen, der Markusdom, Paläste und Geschäfte noch „unbesucht“, sodass genügend Indoor-Aktivitäten als Rückzugsorte für schlechtes Wetter zur Verfügung standen. Also wagten wir die Reise.

Fest eingeplant war der Besuch des Dogenpalasts. (Nein: nicht Drogenpalast, sondern Dogenpalast!) Man kommt – soweit ich weiß – nur hinein, wenn man ein Ticket (im Voraus) online bucht, das mit einem fixen Einlasszeitpunkt verbunden ist. Zum Dogenpalast kann ich nur sagen: Wow. Wer gerne alte Gemäuer besichtigt, sollte unbedingt hineingehen. Viele der teils riesigen Räume sind mehr als opulent und in einem sehr eigenen Stil dekoriert. Der größte Saal ist über 50 Meter lang, kommt ohne eine einzige tragende Säule aus und soll über 1000 Personen fassen können. Die Off-Season spielte uns in die Karten, da sich die wenigen Besucher angenehm im ganzen Palast verteilten. Als interessanter Kontrast zu den Prunkräumen fungiert das neben dem Palast liegende Gefängnis, das man über die Seufzerbrücke erreicht. Ich glaube, dort einzusitzen, war kein Spaß; ich verstehe nun auch den Namen der Brücke voll und ganz.

Für den Markusdom, vor dem in der Saison mehr Menschen anstehen als vor Dallmayr am Tag vor Weihnachten, gibt es auch online „Skip-the-Queue“-Tickets zu kaufen. Diese kosten – je nach Anbieter – über 20€. Der eigentliche Eintritt für den Dom kostet schmale 3€, zusätzliche 5€ wenn man das Pala d’Oro im Raum hinter dem Altar besuchen möchte. Wir beschlossen, zu pokern und das Ticket vor Ort zu kaufen. Zum Glück. Wir mussten eine Minute warten, das war’s. Im Vergleich zur Ausgestaltung des Doms wirkt der Dogenpalast fast ärmlich. Was ist die Steigerungsform von Opulenz? Dekadenz? Ein Besuch lohnt sich auch deswegen, da der Dom aufgrund des byzantinischen Stils und der Architektur – zumindest in Mitteleuropa – sehr besonders ist. Aus dem Kopf fällt mir nur eine ähnliche Kirche „in der Nähe“ ein: Sacre Coeur in Paris. Das Pala d’Oro ist eigentlich nur ein prunkvoller Altaraufsatz; während die 3 EUR für den Dom geschenkt sind, fühlten sich die zusätzlichen 5€ nach viel zu viel an.

Ein unbedingter Tipp ist das Rooftop des Gebäudes der Fondaco dei Tedeschi, das mittlerweile ein Luxuskaufhaus ist. Überraschenderweise ist der Besuch des Dachs kostenlos und verpflichtet auch nicht zum Kauf einer teuren Handtasche. Eine Reservierung ist jedoch zwingend erforderlich. Aufgrund der Lage direkt neben der Ponte di Rialto, die kurz hinter einer Biegung des Canal Grande liegt, ist der Ausblick überwältigend. Das ging nicht nur mir so, sondern ich hörte zahlreiche „Wow“-Rufe beim Betreten der Dachterrasse. Bei mir lag es auch daran, dass ich dunstbedingt noch nie von Venedig aus die Alpen gesehen habe. Super schön.

Im 30€ teuren Dogenpalast-Ticket ist auch der Eintritt ins Correr-Museum enthalten. Das war nett, haute uns aber nicht um, da die Sammlung eine etwas wilde Mischung aus Gemälden und Artefakten ist, die es während der Zeit der Dogen nach Venedig geschafft haben. Zu meiner Überraschung gelangt man durch das Museum auch in die Biblioteca Nazionale Marciana, die ich ohnehin besuchen wollte. Ich vermute, dass wir nicht die gesamte Biblioteca gesehen haben. Es muss einen anderen Eingang geben, über den die restlichen Räume und vor allem die antiken Folianten besichtigt werden können. Das zu prüfen habe ich jedoch vergessen; aber so steht schon ein Agendapunkt für einen Folgebesuch fest…

Aufgrund des immer schöner und wärmer werdenden Wetters genehmigten wir uns ein 24-Stunden-Ticket für die Vaporetti, also die zahlreichen „Wasserbusse“, die kreuz und quer durch Venedig und bis weit in die Lagune hinein fahren. 25€ sind eigentlich viel Geld, man kann aber in den 24 Stunden so oft und so lange Schiffchen fahren, wie man möchte. So gelangten wir völlig ungeplant bis ins uns unbekannte Burano. Burano ist die kleine Nichte von Venedig, die kopfüber in einen Farbkasten gefallen ist. Die Stadt ist nicht so spektakulär wie Venedig, ein Besuch macht aber aufgrund der quietschbunten Häuser Freude. Ich empfand auch die Fahrt durch die Lagune toll, nicht zuletzt, weil man auf ein – ich habe es auf Google Earth nachgemessen – gut 100 km breites Alpenpanorama vom Schiff aus blicken kann. In mir brodelt nun die Idee, die Lagune irgendwann in Zukunft genauer zu erkunden. Auf dem Rückweg von Burano bieten sich Stopps im bekannteren Murano und San Michele, der Friedhofsinsel, an.

Vom ganzen Enthusiasmus abgesehen muss ich auch schimpfen! Die Restaurants in der Stadt scheinen sich in zwei Kategorien zu spalten: Touri-Läden, in denen es Spaghetti Bolognese [sic!] gibt, und hochgestochene Fresstempel, die v.a. Seafood anbieten, was ich nur bedingt esse. Alle Restaurants scheinen jeglichen Bezug zur Realität und jede Hemmung abgelegt zu haben. Alles ist unglaublich teuer. Eine Portion Lasagne kostet gern mal 24€ plus 7€ Coperto. Eine Pizza, für deren Qualität ich mich geschämt hätte, schlägt mit 17€ bis 20€ zu Buche. Fisch- bzw. Seafood-Gerichte erleichtern den Geldbeutel um 20€ bis 30€ was beinahe noch am preiswertesten erscheint, weil Seafood normalerweise teuer ist. In Venedig essen zu gehen, nervte also – zumindest mich – stark und schmeckte schon arg nach Abzocke…

Fazit: Venedig ist auch im Januar sehr schön. Man büßt zwar etwas Flair ein, da man sich z. B. nicht mit einem Spritz in der Hand in einem Straßencafé niederlassen und die Rudel asiatischer Touristen beobachten kann, gewinnt aber viel Ruhe durch die mehr als erträgliche Anzahl an Touristen. Wir hatten auch wirklich Glück mit dem Wetter! Abgesehen vom ersten regnerischen Abend war es trocken und sonnig. „Warm“ war es dennoch nie, vor allem in den schmalen, von hohen Häusern gesäumten und daher schattigen Gassen, durch die der Wind pfeift. Mit angemessener Kleidung waren die Temperaturen jedoch kein Problem… Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass solche Trips in der absoluten Off-Season besser sind, als sich bei 35 Grad unter stechender Sonne durch die sonnencremeverschmierten und schwitzenden Massen zu schieben…!

(Die Bilder können per Klick vergrößert und mit den Cursortasten geblättert werden.)


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Kommentare

4 Antworten zu „Venedig. Im Januar. Tut das?“

  1. Avatar von Jürgen Libertus

    Schöne Strecke, feine Fotos.
    Ich sag‘ mal so Städte wie Venedig bleiben schön, egal wieviele Touristen dort rumlaufen.
    Und teuer war es dort immer schon, das ist in solchen Städten, leider, die Regel.

    1. Avatar von Holger
      Holger

      Danke Jürgen… =)

  2. Avatar von Stefan

    Hallo Holger,
    2nd try 🙂
    Danke fürs Mitnehmen. Wenn ich so in meinem fotografischen Umfeld schaue, dann habe ich das Gefühl man versucht mir ins Unterbewusstsein zu hämmern, dass ich nach Venedig muss. 🙂 So viele Beiträge von Reisen seit dem Herbst dorthin.
    Deine Bilder sind auch nicht gerade förderlich diesen Gedanken im Unterbewusstsein abzuwehren, sind wirklich toll geworden.

    Danke übrigens auch für deine sofortige Korrektur des „Drogenpalasts“, über den ich natürlich direkt gestolpert bin.

    1. Avatar von Holger
      Holger

      Fahr unbedingt hin. Wenn es einen Hype auf dem Planeten gibt, der völlig zurecht existiert, dann der Venedig-Hype…

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