Was zugegebenermaßen wie der billige Abklatsch einer bekannten Science-Fiction-Serie klingt ist eine spannende Technik, um die schon im letzten Post angesprochene Bewegungen der Sterne deutlich sichtbar zu machen. Die Grundidee ist einfach: man belichtet über einen längeren Zeitraum von z.B. 30 Minuten, gerne auch mehr, und lässt die Sterne über das Firmament ziehen.
Länger als 30 Sekunden lang belichten
Klingt einfach, es gibt aber ein paar Probleme, die man lösen muss. Es beginnt schon damit, dass es – so weit ich weiß – keine Kamera gibt, an der man eine Belichtungszeit über 30 Sekunden einstellen kann. Es bieten sich zwei Lösungsoptionen an:
Die erste setzt voraus, dass die Kamera über eine Bulb-Funktion verfügt. Das bedeutet, dass man den Verschluss durch entsprechend langes Drücken des Auslösers manuell offen halten kann. Es wäre natürlich blöd, wenn man dabei mit seinen Händen an der Kamera herumfummelt und wackelt. Also braucht man einen einfachen externen Auslöser der entweder per Kabel oder Bluetooth mit der Kamera verbunden wird. Diese Auslöser funktionieren in der Regel so, dass man ein Mal drückt, um die Aufnahme zu starten. Um sie zu beenden drückt man ein zweites Mal.
Die zweite Option ist, dass man über den Zeitraum von 30 Minuten mehrere Einzelaufnahmen macht, die jeweils z.B. 10 Sekunden lang belichtet werden. Diese Einzelaufnahmen werden dann per Software zu einem Bild zusammengesetzt. Hierfür benötigt man eine Intervallfunktion mit der die Kamera alle paar Sekunden automatisch ausgelöst werden kann. Diese ist in einigen Kameras eingebaut oder man nutzt einen externen Auslöser mit entsprechender Funktion oder eine Handy App.
Man muss nun bedenken, dass bei Option 1 ein einziges 30-Minuten-Bild entsteht. Bei Option 2 sind es 180 10-Sekunden-Bilder. Das sind ganz schnell 5 – 10 GB Daten. Zudem muss jedes der 10-Sekunden-Bilder in Lightroom verarbeitet werden. Zwar kann man die Einstellungen vom ersten Bild auf alle weitern Bilder synchronisieren, aber das Exportieren dauert sehr lange. Zuletzt müssen die fertig ausbelichteten 10-Sekunden-Einzelbilder zu dem Startrail-Bild zusammengerechnet werden.
Ich hoffe, ich bin nicht der einzige, der in Option 2 nur Probleme sieht und in Option 1 nur Vorteile. Also bestellte ich mir einen Bluetooth-Auslöser und legte los. An dieser Stelle noch ein kleiner Spoiler: ich lag in meiner Einschätzung ordentlich daneben…! Aber dazu später mehr.
Option 1: Langzeitbelichtung
Die nächste Challenge ist, wie man die korrekten Kamera-Einstellungen bestimmt – man kann ja nicht 30 Minuten lang mit irgendeiner ISO- und Blendeneinstellung belichten und hoffen, dass das Bild gut wird oder sich per Trial and Error rantasten. Das Bestimmen der Einstellungen geht sehr einfach: zunächst stellt man eine „normale“ Belichtungszeit, Blende, ISO und Fokus wie gewohnt manuell ein. Die gewählte Belichtungszeit ist nicht weitert wichtig, ich habe mich an meinen gewohnten Richtwert von 15 Sekunden gehalten. Nehmen wir mal an, dass bei f2.8 und ISO 3200 das Bild korrekt belichtet ist:
Nun besteht ja ein berechenbarer Zusammenhang zw. den Belichtungs-, ISO- und Blenden-Werten. Beispiel: Halbiert man die ISO, muss doppelt so lange belichtet werden, um das äquivalente Ergebnis zu erzielen. Man kann also durch Rechnen äquivalente ISO- und Blendenwerte für die gewünschte 30 Minuten lange Belichtungszeit bestimmen. Da ich für die Rechnerei zu faul bin und ohnehin schon Photopills gekauft habe, lasse ich einfach Photopills rechnen. Man gibt dazu seine in der Kamera eingestellten Werte in der App ein, schraubt die ISO runter und ggf. die Blende zu bis man etwa die gewünschte Belichtungszeit erreicht hat.
Die nun in der App eingestellten Werte, also f4.0 und ISO 50, werden in die Kamera programmiert. Nun löst man Kamera und Countdown-Funktion von Photopills halbwegs zeitgleich aus, wartet bis das Handy bimmelt (falls man ein paar Sekunden länger oder kürzer belichtet ist das bei 30 Minuten quasi egal.) und beendet die Aufnahme.
Die Kamera setzt nun die gesammelten Daten zu einem Bild zusammen. Meine braucht bei 30 Minuten Belichtungszeit über eine Stunde. Ich war mir beim ersten 30-Minuten-Foto nicht sicher, ob die Kamera überhaupt noch lebt oder abgestürzt ist. Das Warten ist nicht nur nervtötend, sondern ggf. auch ein Problem, falls der Akku zur Neige geht oder die Kamera aus heiß wird. Die Chance, dass das Bild verloren geht, besteht also durchaus. Das ist aber nicht das einzige Problem mit dieser Aufnahmemethode.
Zwar ist das 30-Minuten-Bild ist im Prinzip völlig korrekt belichtet, beim genauen Betrachten fällt aber auf, dass der Kontrast zwischen Startrails und Himmel beim 30-Minuten-Bild viel schlechter ist als der Kontrast zwischen punktförmig abgebildeten Sternen und Himmel beim 15-Sekunden-Vergleichsbild. Oder anders ausgedrückt: „Punktsterne hell, Startrails dunkel, Himmel bei beiden Bildern gleich hell“.
(Beim Beispielbild unten ist der Himmel dunkler als beim Beispielbild oben. Das liegt aber an den in Lightroom getroffenen Einstellungen, um die schwach sichtbaren Startrails zu betonen.)
Den Effekt habe ich weder kommen sehen noch im ersten Augenblick verstanden. Die Erklärung ist aber eigentlich einfach: Wir haben die Belichtungszeit durch Rechnen auf 30 Minuten hochskaliert. Damit das 30-Minuten-Bild aber exakt so aussehen kann wie das 15-Sekunden-Bild, darf sich die Helligkeit des Fotografierten in den 30 Minuten nicht ändern. Eigentlich tut sie das auch nicht – wenn nicht gerade der Mond oder die Sonne aufgeht. Der Himmel ist gleich hell. Der Grund ist gleich hell. Und auch die Sterne sind gleich hell. Aber die Sterne bewegen sich im Gegensatz zu Himmel und Grund! Also fällt das Sternenlicht nicht mehr auf einen kleinen Punkt auf dem Kamera-Sensor sondern verteilt sich auf einen größeren Bereich. Ähnlich wie ein Klecks Deckweiß, den man über schwarzem Grund schmiert, erhält man eben eine graue Schliere statt eines weißen Punkts.
Option 2: Intervall-Methode
Beim nächsten Versuch wollte ich natürlich die Intervall-Methode ausnutzen. Die Frage ist nun: wie lange soll jedes Bild belichtet werden? Je kürzer man belichtet desto mehr Bilder entstehen und desto höher muss die ISO sein (schlecht wg. Rauschen). Aber dafür ist auch die Bearbeitungszeit, die sich die Kamera nach der Aufnahme „gönnt“, kürzer. Bei längerer Aufnahmezeit haben wir wenig Bilder und eine niedrige ISO-Einstellung. Dafür braucht die Kamera etwas länger bis das Bild fertig verarbeitet ist.
Ich habe für meinen Erstversuch die schon oben erwähnte Belichtungszeit von 10 Sekunden und die Intervalldauer von 10 Sekunden eingestellt. Bei meiner Kamera scheint es so zu sein, dass sie 10 Sekunden belichtet, das Bild in ca. 0.5 Sekunden verrechnet und sofort wieder auslöst. D.h. es entsteht eine ca. 0,5 Sekunden lange „Pause“, in der nicht belichtet wird. Ich weiß, dass bei meinem Objektiv Sterne ab ca. 17 Sekunden Belichtungszeit verwischen. Umgekehrt heißt das aber auch, dass wenn man 17 Sekunden nicht belichten würde, eine Lücke im Startrail sichtbar werden würde. Da bin ich mit 0,5 Sekunden weit drunter. Bei nächster Gelegenheit werde ich aber dennoch austesten, wie sich die längste Belichtungszeit – also 30 Sekunden pro Bild – mit entsprechend langem Aufnahmeintervall verhält.
Nachdem alle Aufnahmen im Kasten sind muss der Rechner arbeiten. Das erste Bild wird wie im letzten Post beschrieben in Lightroom hübsch gemacht. Die getätigten Einstellungen werden dann über die restlichen Bilder kopiert. Da ich die KI bemüht habe, um den Himmel auszuwählen, dauert der Schritt schon recht lange. Lightroom versteht leider nicht, dass es immer das gleiche Bild sieht und errechnet die Maske für jedes Bild neu. Nun müssen die Bilder zusammengerechnet/geblendet werden. Das geht mit etwas Klicken in Photoshop oder viel einfacher mit einer kostenlosen Software namens Starstax.
Vor dem Stacken mit Starstax müssen die Bilder aber noch mit Lightroom ausbelichtet werden. Format und Größe kann man sich selbst aussuchen, ich habe hier aber tatsächlich verlustfrei komprimierte TIFFs in voller Auflösung verwendet – die Daten dieses Zwischenschritts werden sowieso gelöscht. Nun zieht man die Bilderflut in Starstax, klickt auf „Berechnung Starten“ und wartet ein paar Sekunden.
Dieser letzte Schritt ist tatsächlich überraschend fix. Noch das fertige Bild speichern. Fertig.
Ich muss sagen, dass ich das Bild so sehr cool finde. Durch die Verzerrung des Weitwinkelobjektivs werden die Startrails an den Bildrändern zusätzlich etwas gekrümmt aber das tut dem Bild nichts. Wer extrem viel Zeit und Geduld hat, geht jedes Foto in Photoshop vor dem Stacken durch und entfernt die Flugzeuge und Satelliten mit dem neuen „Entfernen“-Tool. Mir machen diese hier tatsächlich nichts aus, da dieses Chaos ein schöner Kontrast zu der „himmlichen Ordnung“ darstellt.
Ach ja. Falls sich nun noch jemand fragt, was das helle am rechten Bildrand ist: ein paar Schleierwolken, die unbedingt mit aufs Bild wollten.
Schon wieder ist der Post viel zu lang. Im nächsten und vermutlich kürzesten Teil der Reihe möchte ich noch beschreiben, wie man die Einzelbilder zu einem hübschen Zeitrafferfilm zusammenrechnen lassen kann.
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