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Astrofotografie

Vor ein paar Wochen habe ich angefangen, mich ein wenig mit Astrofotografie zu beschäftigen. Ich will nicht behaupten, dass ich ein Profi geworden bin, aber ich habe in der Zwischenzeit durch „Learning by Doing“, YouTube und Lesen einige Dinge herausgefunden, die mich anfangs verwirrt und auch abgeschreckt haben. Eigentlich ist aber Astrofotografie relativ einfach, da die wichtigsten Grundlagen recht schnell erlernt werden können.

Expectation Management

Wer den Sternenhimmel fotografiert, wird schnell feststellen, dass Dunkelheit Trumpf ist. Wer also nicht gerade auf dem Land wohnt, sondern im Speckgürtel irgendeiner Großstadt oder direkt in derselben, wird selbst bei Neumond keinen komplett dunklen Himmel erleben. Durch diese Lichtverschmutzung sind leider keine Bilder mit pechschwarzem Himmel und hell leuchtender Milchstraße möglich, so wie man sie manchmal irgendwo sieht. Damit muss man leben. Das heißt aber nicht, dass auch stadtnah gemachte Fotos nicht gut aussehen können. Auch kann man zu Hause wunderbar üben — nichts wäre ärgerlicher, als wenn man nach sieben Stunden Wanderung auf einen Berg in den Anden seine Kamera nicht bedienen könnte.

Equipment

Ein paar Worte zum Thema „Stativ“. Ich hatte bis vor wenigen Wochen keines und habe mir daher eines kaufen müssen. Ich habe eines in der Preisklasse um 80 EUR aus Aluminium gekauft. Mein Eindruck ist, dass es für meine Ansprüche und meinen Anwendungsfall stabil genug ist. Wenn man sich die Tutorials auf YouTube etc. anschaut, so kommt man leider sehr oft zum Schluss, dass man mit einem 80-EUR-Stativ nur verwackelten Ausschuss produziert und dass unter einem 300-EUR-Karbon-Stativ nichts geht. Das stimmt nicht. Das 300-EUR-Stativ macht dann Sinn, wenn man bei Windstärke 9 in den Anden steht oder das Teil den ganzen Tag mit sich trägt.

Was Kamera und Objektiv angeht, kann man erstmal das nehmen, was man hat. Natürlich ist ein großer Sensor besser als ein kleiner, weil er bei hohen ISO-Werten weniger rauscht. Und auch ein lichtstarkes Objektiv ist besser als ein lichtschwaches, weil mehr Licht auf den Sensor fallen wird und die Kamera (oder der Fotograf) die ISO-Einstellung nicht so hoch drehen muss, was ebenfalls zu mehr Rauschen führt.

Wenn man keine erstklassige Kamera/Objektiv-Kombination hat, kann man heutzutage mit Software nachhelfen. Dazu sollten die Bilder unbedingt im RAW-Format aufgenommen werden und in einem Tool wie Lightroom fertig bearbeitet werden. Natürlich geht das auch mit anderer Software, aber ich nutze eben Lightroom. Schon mit älteren Versionen von Lightroom kann das Rauschen manuell reduziert werden. Neuerdings hat Lightroom zusätzlich zur „manuellen Rauschreduzierung“ ein – vermutlich KI-basiertes – Verfahren bekommen, das wesentlich besser funktioniert als das manuelle. In meinen Tests hat mir DxO Pure Raw — also ein zusätzlichen Programm, an das Lightroom Fotos zum Entrauschen schicken kann — aber trotzdem noch etwas besser gefallen. Ein großer Nachteil der beiden „intelligenten“ Varianten ist, dass zusätzliche DNG-Dateien erzeugt werden, die mindestens doppelt so groß sind wie die ursprünglichen RAW-Dateien. Außerdem dauert dieser Schritt sehr lange, was bei Belichtungsreihen mit hunderten Bildern ein großes Problem ist.

Einstellungen an der Kamera

Ein für die meisten wahrscheinlich sehr ungewöhnlicher Schritt ist es, die Kamera komplett manuell zu bedienen. Es ist aber unerlässlich Blende, Belichtungszeit und Fokus bei Sternenaufnahmen komplett selbst einzustellen. Die Kamera kann man gern die ISO-Einstellung berechnen lassen oder man findet einen guten ISO-Wert durch Ausprobieren, Display, Histogramm etc. selbst heraus.

(Übrigens: Blende und Belichtungszeit manuell einzustellen und die Kamera den ISO-Wert bestimmen zu lassen, ist auch sonst eine sehr gute Art, seine Kamera zu bedienen. Sowohl Blende als auch Belichtungszeit sind Parameter, mit denen man das Aussehen des Bildes (Tiefenschärfe, Bewegungsunschärfe) beeinflussen kann. Das möchte man vielleicht nicht der Kamera überlassen oder die Kamera weiß einfach nicht, dass man z.B. aktuell eine sehr kurze Belichtungszeit braucht. Der ISO-Wert ist hingegen keine gestalterische Einstellung, also darf das die Kamera gern machen.)

Die Blende stellt man normalerweise auf die größte Blendenöffnung, die das Objektiv hergibt. Bei meinem 14-mm-Objektiv ist das f2,8. Mehr Licht kann ich mit diesem Objektiv nicht einfangen. Ich weiß aber, dass dieses Objektiv bei f2.8 nicht so scharf ist wie bei f4.0 und dass der Tiefenschärfebereich kleiner ist. Man muss sich also entscheiden: mehr Licht, weniger Rauschen, aber weniger (Tiefen-)Schärfe oder weniger Licht, mehr (Tiefen-)Schärfe, aber mehr Rauschen. Im Zweifel einfach beide Optionen ausprobieren und in der Post-Produktion entscheiden.

Im Dunkeln funktioniert der Autofokus nicht mehr zuverlässig. Zudem ist es bei einer Belichtungsreihe vorteilhaft, wenn bei jedem Bild auf das selbe Objekt scharf gestellt wurde. Daher ist es besser, manuell und mit Hilfe der Fokuslupe zu fokussieren. Dazu sucht man sich am besten den hellsten Stern, der auch möglichst zentral im Bild zu sehen ist aus und fokussiert darauf. Scharfgestellt ist dann, wenn der Stern möglichst klein und hell zu sehen ist — groß und blass heißt unscharf. Ein Testfoto, das man sich auf dem Display oder Handy ansieht, kann hilfreich sein.

Nun stellt sich die Frage nach der Belichtungszeit. Und jetzt wird es wieder etwas ungewohnt: Weil sich die Erde dreht und durch den Raum fliegt, stehen die Sterne von uns aus gesehen nicht still. Mit der Belichtungszeit entscheidet man also unweigerlich, ob man den Stern als Punkt oder als Schliere abbildet (Stichwort: Bewegungsunschärfe). Für jede Sensor-Brennweiten-Blenden-Kombination gibt es einen Richtwert, bis zu dem man belichten kann, ohne dass die Sterne „verschmieren“. Bei meiner Kamera und dem 14mm sind das bei f2.8 17 Sekunden und bei f4.0 20 Sekunden. Diesen Richtwert kann man experimentell ermitteln und sich für die Zukunft merken oder mit einer (iOS) App namens Photopills berechnen lassen.

(Ich muss übrigens gestehen, dass ich es zunächst nicht glauben konnte, dass der Richtwert so klein ist. Die Sterne bewegen sich doch für das menschliche Auge quasi nicht sichtbar! Spätestens nach 30 Sekunden Belichtungszeit erkennt man aber deutliche Schlieren! Ein kleiner persönlicher Wow-Moment.)

Vier weitere Einstellungen, die man vornehmen sollte, beziehen sich auf die Vermeidung von Vibrationen. Die In-Body-Stabilisierung, den mechanischen Verschluss der Kamera und die Stabilisierung des Objektivs sollten ausgeschaltet werden. Ebenso ist es ratsam eine Auslöseverzögerung zwischen 3 und 10 Sekunden einzustellen, um die Erschütterungen, die beim Drücken des Auslösers entstehen, abklingen zu lassen. Alternativ hierzu kann natürlich auch ein Funkauslöser für wenige Euro gekauft und genutzt werden.

Entwicklung in Lightroom

Die RAW-Datei direkt aus der Kamera sieht nicht gut aus. Der Vordergrund ist zu hell und zu gelb und der Himmel hat kaum Kontrast. Und dann ist da noch das verdammte Leuchten in der Atmosphäre.

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Ich beschreibe nun ein paar Verarbeitungsschritte in Lightroom, die ich mir mehr oder weniger selbst zusammengeknobelt habe und die in meinem Fall ganz gut funktionieren. Diese sind aber sicher nicht komplett und kein Patentrezept für alle Lebenslagen, sondern sollen v.a. als Ideen dienen…

Zuerst lasse ich mir immer den Himmel von Lightroom automatisch auswählen. Diese Maske dupliziere ich einmal und dupliziere und invertiere sie ein zweites Mal. Nun habe ich also zwei Himmelsmasken und eine für den Grund — die Bäume in meinem Fall.

Die Bäume dunkle ich mit der Maske um ca. zwei Belichtungsstufen ab und entsättige sie auf ca. -50%, damit sie weniger auffällig sind.

Der Himmel ist schwieriger. Mit einer der beiden Himmelsmasken erhöhe ich den Kontrast um ca +40 und reduziere den Schwarzwert um ca. -40. Es ist auch sehr hilfreich, die Farbtemperatur des Himmels nach eigenem Gusto in Richtung Blau zu verschieben. „Blau“ sieht einfach mehr nach Nacht aus als „Gelb“. Gegebenenfalls kann man etwas mehr Sättigung hinzufügen, um die verschiedenen Farben der Sterne sichtbarer zu machen. Produziert die Kamera aber starkes Farbrauschen, sollte man hier aufpassen. Gegen den leuchtenden Dunst in der Atmosphäre hilft ggf. auch der Regler „Dunst entfernen“, den man auf ca. 25 stellt. Schon besser:

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Die Helligkeit des Himmels ist jetzt noch sehr unregelmäßig. Der Bereich rechts unten wird von der Stadt recht stark erleuchtet und dieses Leuchten möchte ich noch etwas reduzieren. Hierzu wähle ich die zweite Himmelsmaske aus und schneide sie mit einem linearen Filter von rechts unten nach links oben. Nun hat man einen Verlaufsfilter über dem besonders hellen Himmelsbereich. Die Belichtung dieses Bereichs wird nochmals um ca. -0,5 Blendenstufen und die Schwarztöne um ca. -20 abgedunkelt.

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Als nächstes kommen Bildrauschen und Schärfen an die Reihe, beides wende ich global an. Den Regler für die manuelle Rauschunterdrückung stelle ich auf ca. 20. Ist er höher eingestellt, verschwindet schon mal der ein oder andere Stern. Die Schärfe kann man recht aggressiv einstellen, um die Sterne besser sichtbar zu machen. Man muss aber aufpassen, dass man das Bildrauschen nicht mit schärft. Deshalb unbedingt die Schärfungsmaske richtig einstellen. Eine Einstellung zw. 80 und 90 ist ein guter Startwert, hält man die ALT-Taste gedrückt während man am Masken-Reglers zieht, sieht man genau was geschärft wird.

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Fertig! Für ein Bild das mit einem Glas Rotwein in der Hand auf einem Balkon im Wohngebiet entstanden ist kann sich das Ergebnis halbwegs sehen lassen. Wer genau hinsieht, erkennt sogar hier ein wenig das fahle Leuchten der Milchstraße, das sich mittig durchs Bild zieht – zum vergleich die Augmented Reality-Ansicht aus Photopills.

Da dieser Post schon viel zu lange ist, schreibe ich in einem zweiten Teil über Belichtungsreihen, Sternenspuren („Light Trails“ — wie es auf Neudeutsch heißt) und Time-Lapse-Filmchen, die man sich aus den Bilder errechnen lassen kann.

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