Holgers Sammelsurium

Fotografie, Reisen, Nerdkrams

Norwegen (2022)

(Diesen Artikel habe letztes Jahr in einem anderen Blog gepostet und nun hier importiert.)

In diesem Jahr hat es uns nach Norwegen verschlagen. Ursprünglich war diese Reise für den Sommer 2020 geplant. Leider hatte aber – vermutlich zeitgleich während wir die Reise mühsam planten und buchten – ein Mensch in China die glänzende Idee rosa gebratenes Gürteltier zu essen. Was dann passierte ist bekannt: die Welt bekam Covid-19 und stand ein Jährchen lang still.

Wie so vieles, wurden auch unsere Flüge storniert, was bedeutete, dass wir den Rest der Reise stornieren mussten. Wundersamerweise blieben wir aber “nur” auf den Flügen sitzen. Für Hotel und Mietwagen gab es Geld zurück, oder wir bekamen Gutscheine für das nächste Jahr.

Hach, was waren wir damals noch alle naiv zu denken, dass Corona im Jahr 2021 verschwunden sein würde. Auch im Sommer 2021 war noch an keine (Flug-)Reise zu denken. Das überraschende war aber, dass die Unterkünfte nochmals die Gutscheine verlängerten, was auch das Urlaubsziel in diesem Jahr festlegte.

The Good

Was soll ich sagen? Norwegen ist ein wunderschönes Land. Zumindest die Region zwischen Trondheim und Bergen, die wir in knapp zwei Wochen bereisten, sucht ihresgleichen. Meer und Fjorde gehen nahtlos in schroffe, alpine Landschaften mit tausenden Seen, Flüssen, Wasserfällen und Gletschern über. Zeitweise kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Hinter jeder Kurve, durch die man fährt, findet man einen neuen optischen Superlativ.

The Bad And The Ugly

Ich will hier aber gar keinen Reisebericht schreiben, das haben andere schon zur Genüge getan. Ich will heute mal aufschreiben, was der Reiseführer, der Bericht im Fernsehen, oder der Instagram-Influencer nicht sagt: Es gibt auch Dinge an Norwegen, die ziemlich nerven. Auf einiges war ich eingestellt, anderes habe ich so nicht erwartet.

Automobilität

Mietwagen sind mittlerweile richtig teuer geworden. Wir zahlten knapp 650 EUR für 9 Tage Polo-Klasse-Automobilität. Ein Auto ist meiner Meinung nach absolut alternativlos. Es gibt zwar Bahnlinien und auch Busse, die ins Hinterland führen – selbst an entlegenen Orten findet man Haltestellen. Hochgerechnet an der Zahl der Linienbusse, die wir gesehen haben, werden diese Busse aber nicht oft fahren.

Auch die norwegischen Spritpreise haben es in sich. Umgerechnet sind 2,50 EUR für den Liter Normalbenzin oder Diesel mindestens zu erwarten. Ich bin nun also bestens auf die Zeit nach Lindner’s Spritpreisbremse eingestellt.

Ein weiterer mit dem Autofahren verbundener Kostenfaktor sind Mautstraßen, Fähren und kostenpflichtige Ortsdurchfahrten. Überraschenderweise hielt sich diese Komponente aber mit gut 70 EUR in Grenzen. Ich denke aber, dass je nach Region hier auch schnell mehr Kosten zusammen kommen können. Insb. wenn man Autobahnen nutzt, Fährfahrten nicht clever plant/minimiert und öfter in urbane Gegenden kommt wird dies der Fall sein.

Vor Antritt der Reise war mir nicht klar, wie die Maut beglichen wird und ob man ggf. Fähren vorab buchen muss. Norwegische Autos scheinen alle einen Transponder an der Windschutzscheibe angeklebt zu haben, welcher von Fähren, Tunneln, Brücken, Straßen ausgelesen wird. Das geht alles automatisch, sehr komfortabel, aber mit vollem Kontrollverlust. An keiner Fähre hängt ein Schild: “Überfahrt für PKW kostet 8 EUR”, etc. Die Abrechnung der Kosten erfolgt über den Mietwagenanbieter.

Ähnlich professionell wie die Abrechnung der Fähren ist auch ihr Betrieb: in der Regel fahren Fähren halbstündlich und können die wartenden Fahrzeuge leicht transportieren. Das ist also gut gelöst.

In manchen Regionen haben die Norweger zwischenzeitlich auch äußerst fleißig kilometerlange Tunnel durch Berge und Meeresboden gebuddelt oder abenteuerliche Brücken gebaut. Wenn man möchte, kommt man schnell und einfach voran.

Das hat aber wieder den Nachteil, dass man fast schon zu schnell durch die Lande brettert und nicht viel sieht. Mein dringender Tipp ist also: nutzt die kleinen Nebenstraßen bzw. die alten Straßen. Oft sind diese Straßen als “Gamle Irgendwas-vegen” oder “Historisk Vegen” ausgeschildert.

Diese alten, schmalen Straßen kosten aber richtig viele Nerven! Spätestens, wenn das zehnte Wohnmobil dir auf einer 2,30m breiten Straße entgegen kommst, mitten auf der Straße stehen bleibt, und du wieder 200 Meter rückwärts bis zur nächsten etwas breiteren Stelle zurück fahren musst und dabei fast eines der vielen Schafe die faul auf der Straße liegen rammst, wirst du wissen, was ich meine. Was war ich über die Rückfahrkamera im Mietwagen froh!

Wir haben auch einen Deadlock im Gebirge, kurz unterhalb des Stegasteins, erlebt. Hier traf ein XL-Camper auf einen XXXL-Reisebus, der Kreuzfahrttouristen auf einen Berg karrte. Natürlich fuhren von “oben” und “unten” weitere Fahrzeuge auf die Blockade, bis irgendwann gar nichts mehr ging.

Verwunderlich, dass dieser Pass nicht für Busse gesperrt ist. Oder Camper. Oder beides. Am Vortag “unseres” Superstaus muss wohl auf demselben Pass fast ein Camper bei einem Ausweichmaneuver den Hang hinab gerutscht sein. Als wir im Stau hingen, ist weiter oben ein Motorradfahrer abgestürzt. Glücklicherweise löste sich der Stau wenige Minuten bevor der Krankenwagen den Berg hoch raste auf.

Mein dringender Tipp: buch’ dir kein Wohnmobil und erwarte, dass du mit dem großen Kübel auf einer norwegischen Gebirgsstraße super klar kommst. Du bist für dich und andere eine Gefahr.

Abwechslung

Ein guter Urlaub besteht aber nicht nur aus grandiosen Landschaften, die es hier zuhauf gibt. Abwechslung ist auch ein wichtiger Faktor. Und hier muss ich leider sagen, punktet Norwegen nicht so sehr. Die Region zwischen Trondheim und Bergen ist außerordentlich ländlich. DIE Attraktion ist die Landschaft. Und so sehr ich Berge, Wald und Meer liebe, spätestens nach drei, vier Tagen Berge, Wald und Meer, brauche ich einen Gegenpol. Und den zu finden ist in Fjord-Norwegen schwer.

Außer Trondheim, (Kristiansund,) Alesund …

und Bergen …

gibt es einfach keine nennenswerten Städte mit einem schönen und sehenswerten Stadtkern/Altstadt, durch die man zur Abwechslung ein, zwei Stündchen schlendern könnte. Die Nachmittage in Alesund und Bergen – glücklicherweise schien jeweils die Sonne wunderbar – waren grandios.

Auch sucht man Attraktionen wie Ruinen, Burgen, Schlösser, etc. vergeblich. Die wenigen mir bekannten Bauwerke, die wirklich lohnenswert sind besichtigt zu werden, sind die hölzernen Stabkirchen in Urnes und Borgund.

Ein weiteres Problem war mitunter die Abendgestaltung. Normalerweise richte ich einen Urlaubstag gern so ein, dass wir tagsüber richtig aktiv sind (wandern, Sightseeing, rumfahren, etc.) und wir abends in einer Stadt zum gemütlichen Teil des Tages übergehen: ein nettes Abendessen genießen und davor/danach noch bummeln. Das klappt meist halt nicht so gut und man hockt leider schon oft auf dem Zimmer herum. Das habe ich so noch nie erlebt und das nervte mich schon.

Restaurants und andere Futterstellen

Der Mangel an urbanem Gefilde bedingt natürlich auch, dass solche Aktivitäten wie “mal eben einen Kaffee trinken” oder die Beschaffung eines Abendessens eher schwierig sind.

Wieder etwas problematisch sind die ländlichen Gegenden: es gibt verblüffend wenige Restaurants. Eine mögliche Alternative hierzu bieten die Hotels, die natürlich die schlechte Versorgungslage ihrer Gäste erkannt haben und Abends irgendwelches Essen anbieten. In einem Hotel wurde uns Fleischbrühe angeboten, in einem anderen ein Buffet. An die Brühe haben wir uns nicht gewagt, aber an das Buffet. Wirklich gut war es nicht, dafür aber recht teuer (knapp 40 EUR).

Auch findet man in den kleineren “Städten” irgendwelche Imbisse, Kebap-Buden oder Pizzerien. Auch das haben wir ausprobiert und ich muss leider sagen: Pizza in Norwegen hat nicht viel mit der Pizza, die im Rest der Welt gebräuchlich ist, zu tun. Weder preislich (um 18 EUR) noch geschmacklich.

In Alesund, Bergen, etc. findet man natürlich Restaurants en masse. Aber hier ist das Preisniveau geradezu lächerlich. 25 EUR für eine Eine-Personen-Pizza, 30 EUR für ein bisschen Reis mit Zeugs beim Chinesen, 50 EUR für ein Fischgericht, etc. Dann kommt noch ein Getränk dazu: 0,3l Cola für 6 EUR, ein kleines Bier für 10 bis 12 EUR und Wein kostet dich wahlweise eine Niere oder deine Netzhaut.

Wenn du also nicht Fußballprofi beim FC Bayern München bist, ist es tatsächlich ratsam – zumindest ab und an – das Abendessen im Supermarkt zu kaufen. In den größeren Märkten gibt es oft eine halbwegs gut bestückte Salatbar bzw. einen “Wärmeschrank” mit gebratenem Hendl, etc. Der Supermarkt ist in Norwegen zwar auch nicht billig (rechne auf deutsche Preise +100% für die meisten Lebensmittel und +300% für Bier) aber die so zusammengekaufte Brotzeit war meist besser als der noch überteuertere Mampf in den Restaurants.

Es ist übrigens absolut ratsam zu prüfen, ob in der Region wo du die Nacht verbringen wirst, ein Supermarkt existiert oder nicht. Wir mussten einmal 50km vor der nächsten Unterkunft einkaufen!

Allohol

Ähnlich wie Schweden und Dänemark, erhebt auch Norwegen horrende Steuern auf Alkohol. Ein bekannter Bourbon, welcher im deutschen Supermarkt im Angebot für 10 EUR zu bekommen ist, kostet hier gut 40 EUR und ist nur im Schnapsladen erhältlich.

Bier und andere Getränke mit weniger als 5% Alkohol, gibt es im Supermarkt zu kaufen. Die Preise sind auch hier abenteuerlich: die Bierbüchse kostet ca. 3,50 EUR.

Auch abenteuerlich sind andere Regeln: Ab Samstag 18:00 bis Montagmorgen, darf kein Alkohol verkauft werden. Und im Restaurant darfst du nur ein alkoholisches Getränk auf einmal Ordern. Das Herrengedeck fällt also flach!

Merke also: wenn du deiner Leber etwas Gutes tun willst, mache eine Detox-Kur in Norwegen.

Hotels

Hotels sind auch schwierig und in der Regel stimmt das Preis/Leistungsverhältnis nicht. In den Städten ist die Situation noch vergleichsweise ok. 140 EUR für ein ordentliches Hotel mit gutem Frühstück für zwei Personen ist noch OK.

Insbesondere in eher entlegenen Gegenden wird es wieder schwieriger. Wir zahlten einmal kurz vor 200 EUR und nächtigten dafür in einer Art ausgebautem Container mit hässlichem Linoliumboden, einer einzigen (!) Steckdose an der Wand und einem nahezu unbenutzbarem Bad. Zugegeben, das war ein Extremfall, aber generell kostet eine Nacht in einem einfachen Hotel – denke “Jugendherberge” – für zwei incl. Frühstück zwischen 120 und 150 EUR.

Wetter vs. Wandern

Und dann ist da auch noch das Wetter. Wir hatten die große Freude (während Deutschland bei 40°C verglühte) unter einem hartnäckigen Tiefdruck-Gebiet fest zu sitzen. An einem Tag regnete es permanent wie aus Kübeln. 10 Sekunden außerhalb des Autos und du warst nass. An vier, fünf Tagen regnete es immer wieder und war äußerst trist. Ein paar Tage waren bis auf kurze und schöne Abendstunden völlig grau. Und sage und schreibe an zwei, drei Tagen war es wirklich den ganzen Tag schön. Die Temperaturen lagen in der ganzen Zeit zwischen 6 und 21 Grad. Das drückt ein bisschen auf’s Gemüt und man sollte sich moralisch und organisatorisch unbedingt auf schlechtes Wetter einstellen.

Für diesen Urlaub haben wir einen quasi reinen Roadtrip geplant, Heißt: an fast jedem Tag erreichten wir ein anderes Hotel. Normalerweise haben wir in unseren Urlauben weniger “reine” Fahrtage geplant. Statt dessen bleiben wir länger vor Ort und planen Wanderungen rund um das Hotel. Was war ich froh darüber keine langen Wanderungen geplant zu haben!

Im Auto rumfahren, mal aussteigen, ein paar Schritte gehen, Foto machen, zurück ins Auto, Sitzheizung an, auftauen, weiterfahren: geht schon. Aber bei 8 Grad, Dauerregen und Wind stundenlang zu wandern? Darauf hätte ich persönlich keine Lust gehabt, ich bin nicht dafür ausgerüstet, und zudem wäre mir das in dieser “Wildnis” auch zu gefährlich gewesen. Man ist teils schon verblüffend fernab vom Schuss, das Handynetz funktioniert nicht gut, und falls etwas passiert darauf hoffen, dass zufällig jemand vorbei kommt? Darauf ließe ich es nicht drauf ankommen.

Ich habe mir oft die Frage gestellt: wenn du heute einen Wandertag geplant hättest, was wäre die Schlechtwetter-Alternative gewesen? Eine Stadt besichtigen? Ins Museum gehen? Eher nicht…

Fazit

Fjord-Norwegen ist einerseits gran-di-os schön, aber für mich ist es trotzdem nicht das ideale Urlaubsziel. Wobei “ideal” vermutlich nicht existiert, da überall immer irgendwas nicht ganz passt. In diesem Urlaub gab es aber schon einige Dinge – allen voran das Wetter und die Situation an der Nahrungsfront – die nervten.

Ich bin trotzdem sehr froh, das Land – zumindest einen Teil dessen – nun gesehen zu haben. Für den Augenblick aber muss ich auch sagen, ich würde nächstes Jahr nicht unbedingt wieder hinfahren.

Wir hatten schon in Schottland und der Bretagne ähnliche Probleme mit dem Wetter, die Bretagne war sogar wesentlich verregneter, und hier hatten wir Wanderunge geplant! Aber: man konnte die Zeit dort trotzdem irgendwie gut nutzen. Mal ein Schloss ansehen, mal in eine Whiskey-Brennerei, mal einen Stadtbummel mit Regenjacke…

Ich bin gespannt, was in drei Jahren von der Reise noch in Erinnerung ist. Komischerweise vergisst man ja recht schnell das gammlige Hotel und das schlechte Abendessen und die schönen Erinnerungen bleiben in Erinnerung!


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