Nach dem Stop in Eisenach sind wir weiter nach Rügen gefahren. Während unseres Aufenthaltes dort haben wir unser Hauptquartier in Sassnitz aufgeschlagen. Der Ort liegt recht weit im Nordosten der Insel und ist sowohl mit dem Auto als auch mit der Bahn gut zu erreichen. Sassnitz punktet auch durch die Nähe zu den Kreidefelsen – man kann quasi von der Haustür aus dorthin wandern. Allerdings ist Sassnitz relativ unscheinbar und nicht besonders mondän – zumindest nicht mehr. Es gibt zwar eine kleine, hübsche Altstadt mit einigen typischen Bäderarchitektur-Häusern aus der Zeit um 1900, in Binz oder Sellin ist dies aber ausgeprägter. Auch nett: der Hafen und die Uferpromenade mit vielen Restaurants.
Am ersten Tag haben wir die Kreidefelsen „von oben“ besichtigt. Der Weg zur Steilküste führt von Sassnitz aus durch monumentale Buchenwälder, die den Status „Unesco-Weltnaturerbe“ tragen. Ich fand die schiere Menge der mächtigen Buchen fast noch imposanter als die Kreidefelsen, wegen denen wohl die meisten Touristen kommen. Der antiklimatische Höhepunkt der Wanderung ist der Königsstuhl, der höchste der Kreidefelsen. Leider darf der Königstuhl inzwischen nicht mehr betreten werden, da er wie andere Stellen der Steilküste absturzgefährdet ist. Stattdessen werden die Touristenmassen in ein Besucherzentrum mit Skywalk kanalisiert. 12 Euro für den Blick von einer Brücke auf einen Felsen? Kann man machen, will ich aber nicht. Der Blick auf den Königsstuhl, den man natürlich ein Stück weiter auf dem Wanderweg hat (da waren 10 Leute…) tut’s auch. Vom Besucherzentrum aus kann man noch ein paar Kilometer weiter nach Lohme wandern. An der Steilküste von Lohme gibt es einige kleine Restaurants, auf deren Terrassen man bei einem kühlen Pils und einem Fischbrötchen in der Ferne Kap Arcona sehen kann.
Auch der zweite Tag war ein voller Erfolg. Vom Hafen in Schaprode aus kann man mit der Fähre auf die völlig autofreie Nachbarinsel Hiddensee übersetzen. Erstaunlich ist, dass diese Fähre mit dem DE-Ticket genutzt werden kann, da sie wohl als öffentliches Verkehrsmittel gilt. Wer sicher sein will, dass er zum gewünschten Termin einen Platz auf dem Boot bekommt, sollte online für 2 EUR reservieren. Weitere 2 EUR werden für eine Art Kurtaxe für die Insel fällig. Wir sind mit dem Boot nach Kloster gefahren, weil man von dort aus nach einer schönen Wanderung einen hübschen Leuchtturm in den Dünen erreichen kann. Leider wird der Leuchtturm gerade renoviert und wurde dafür „verhüllt“. Christo und Jeanne-Claude konnten das, wenn Maler Hinrichs aus Prora das macht, sieht das halt eher … schlecht … aus. Schade. Die Wanderung und der ganze Ausflug waren trotzdem sehr schön.
Am dritten Tag unternahmen wir die erste Inselrundfahrt mit dem Auto. Vom Koloss von Prora ging es über Binz nach Sellin mit seiner fantastischen Seebrücke. Der Koloss von Prora ist ein monumentales Bauwerk auf der Insel Rügen. Er wurde während der NS-Zeit als Teil eines geplanten Seebades für die Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) errichtet. Der Bau begann 1936, wurde aber wegen des Zweiten Weltkrieges nicht vollendet. Nach dem Krieg wurde er von der Roten Armee und der Armee der DDR genutzt. Heute ist der größte Teil des kilometerlangen Gebäudes saniert (Hotels, JuHe, Ferienwohnungen). Spannend ist die Schnittstelle zwischen ursprünglichem und saniertem Zustand. Sowohl in Binz als auch in Sellin gibt es im Ortskern wunderschöne weiße Villen mit aufwendig gestalteten Fassaden. Sehr schön. Sellin hat außerdem eine wunderschöne und elegante Seebrücke, die den Glanz der 1900er Jahre versprüht. In Shorts und T-Shirt fühlt man sich hier fast fehl am Platz. Ein ganz besonderer Ort, wie ich finde. Sollte ich noch einmal nach Rügen kommen, werde ich mich in Sellin einquartieren.
Leider ist am Ende von Tag 3 ein Drehzahlsensor an einem Rad meines blöden bayerischen Autos gestorben. An dem 100 EUR teuren Ding hängen ABS, ESP, ESR, Reifenpannenerkennung und anderer Kram – ich habe noch nie so viele Lämpchen an einem Auto leuchten sehen wie an diesem Tag. Also ab mit dem Auto in die einzige geeignete Werkstatt auf der ganzen Insel. In Summe hat das Problem gut und gerne einen ganzen Urlaubstag gekostet. Erstklassig…
Während das Auto geflickt wurde, haben wir eine Warnemünde-Rostock-Stralsund-Exkursion per Zug unternommen. Kann ich nur empfehlen. Warnemünde ist ein ziemlich touristischer aber irgendwie netter Badeort mit immens langer Fressmeile am Hafen. Von Rostock war ich mehr als positiv überrascht. Die Innenstadt ist super hübsch, ruhig, es gibt eine schöne Einkaufsstraße, einige schöne Häuser und Kirchen. Stralsund, das kurz vor Rügen liegt, ist beinahe noch netter. Der Ausflug wäre perfekt gewesen, wenn nicht eine gute Woche vor unserem eintreffen die in Stralsund liegende Gorch Fock 1 ins Trockendock geschleppt worden wäre. Ja, das Glück ist uns hold…
Am letzten Tag besuchten wir noch einmal die Kreidefelsen. Allerdings von der Wasserseite aus. Von der Steilküste führen immer wieder Wege und Treppen hinunter zum Felsenstrand. Dort kann man dann quasi unterhalb der Steilküste wandern, wahrscheinlich bis vor den Königsstuhl. Von dort unten hat man noch einmal einen ganz anderen Blick auf die Felsen und die teilweise abenteuerlich halb in der Luft hängenden Bäume. Ein bisschen unheimlich ist es schon, wenn man da unten steht… Zurück in Sassnitz haben wir noch eine Bootsfahrt an den Felsen vorbei gemacht. Etwas redundant zur Wanderung, aber auch schön.
Insgesamt fand ich Rügen sehr schön. Was aber ziemlich nervt, sind die teilweise überraschend hohen Preise für Parkplätze in den Städten und auch für Wanderparkplätze, die immer nur im Voraus und teilweise nur tageweise bezahlt werden können. Wenn man vorhat, den ganzen Tag zu wandern, sind 7,50 EUR in Ordnung, aber nicht, wenn man nur eine halbe Stunde parken will. Was ich auch nicht erleben möchte, ist Rügen in den Sommerferien. Als wir Ende Juni/Anfang Juli dort waren, waren die Straßen und Parkplätze schon gut gefüllt, aber ich möchte mir nicht vorstellen, wie es aussieht, wenn die Insel wirklich voll ist. Auch sollte man bedenken, dass es auf Rügen nur kleine Orte gibt. Wenn man also mal nicht wandern, radeln oder Boot fahren will, sondern in einer Stadt bummeln, muss man von der Insel runter und nach Rostock oder Stralsund fahren. Okay, aber nicht ganz klasse ist der Busverkehr gelöst. Man kommt zwar von A nach B, aber das halt teilweise nur drei Mal am Tag oder es dauert unglaublich lange.
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